„Kunst war für mich immer Sehen, eine Geschichte erfinden, die das Bild erklärt; egal ob sie stimmt oder nicht.“ (Walter Reinhardt)
Reinhardt widmete sich der Ausbildung seiner Kunst und auch dem Gitarrenspielen als Autodidakt zeitlebens, neben seinen vielfach wechselnden Jobs. Neue Kunststile oder fernöstliche Mystiker, psychedelische Drogen oder Lektüre von Lyrik, Bildungsliteratur bis hin zu einschlägigen Medientheorien – er sog alles in sich auf, eignete es sich an und verleibte es seinem Kosmos ein. So entstanden Ideen, Bild-, Objekt und Formgebungen, die an Vorbilder erinnern, jedoch auch eigenständigen Charakter aufweisen. Grenzen schien es für ihn kaum zu geben: Sein künstlerisches Schaffen erstreckte sich von der Illustration einer Postkarte bis hin zum metergroßen Ölgemälde, vom Holzschnitt oder Siebdruck bis zu experimentellen Computergrafiken. Walter Reinhardts eindrucksvollste Arbeiten strotzen vor ornamentaler, oftmals fernöstlich anmutender Opulenz, in der ein skurriles Figurenrepertoire Regie führt. Da erinnern akribisch gezogene parallele Linien und kleinteilige Flächenstrukturen an Hundertwassers farbenprächtige Bildschöpfungen, dann wieder weisen tierhafte oder menschliche Züge symbolisch auf eine persönliche Begegnung mit dem Unerklärbaren hin. Die Methode der écriture automatique der Surrealisten klingt da ebenso an wie die mystisch-mythischen Vorstellungswelten von Völkern weitab von Europa. Aus Träumen scheinen sie hervorzuscheinen und fügen sich zu einer geheimnisvoll-magischen Bilderwelt voll offener Fragen und Platz für die eigene Phantasie.
In seinem in späteren Jahren erworbenen Restaurant zog sich seine künstlerische Handschrift von der handgefertigten Speisekarte bis zur Raumgestaltung mit handbemalten Wänden. Das eigene Haus wurde zur Galerie, in der der Künstler seine eigenen Bilder und Werke zeigte. Nicht zuletzt durch Zeit- und allmählichen Platzmangel bedingt kristallisierte sich zunehmend ab 1984 ein künstlerischer Stil in Reinhardts Werk heraus, der in der Schaffung einer eigenen, stets wachsenden Figurenwelt münden sollte: Er nannte sie Potzlach, ihre Bewohner Pötze. Die Pötze waren als Mischexistenz zwischen Figur, Ornament, Mensch, Tier und Fabelwesen angelegt und passten auf eine Postkarte. Sie wurden zu einem Marken- und Erkennungszeichen, das Reinhardt mit großem Ideenreichtum immer wieder neu nutzte, variierte und in sein Werk „einbaute“.
Nicht nur aus seiner Kunst, sondern auch aus seinen zahlreichen Gedichten, Kommentaren oder Erläuterungen lugen stets ein schelmischer Witz und Ironie hervor. Im Zusammenspiel mit seinem melancholischem Pessimismus entwickelt Reinhardts Werk somit seinen ganz spezifischen Charme. „Die Lage ist (immer noch) hoffnungslos aber nicht ernst“ (Paul Watzlawick) – Reinhardts Wahlspruch bringt diese Lebenshaltung perfekt auf den Punkt.